Wie gut sind Alternativen zu Zucker, Fleisch und Alkohol?
Immer mehr Menschen greifen zu Lebensmitteln, die vermeintlich ungesunde ersetzen wollen. Von Süße, die nicht von Zucker kommt, bis hin zu Wein, der keinen Alkohol enthält – wie schmeckt das alles? Was kostet es? Und wie lautet das Fazit einer Ernährungsberaterin?
Besonders im Corona-Jahr 2020 haben Konsumenten ihre Ernährung und ihr Essverhalten hinterfragt. Nicht nur, weil man sich durch Homeoffice und Homeschooling zwangsläufig mehr mit dem Kochen auseinandersetzen musste. Sondern auch aus Gesundheitsgründen, um dem Bewegungsmangel mit einer ausreichenden Zufuhr der wichtigen Nährstoffe entgegenzutreten. Die Nachfrage nach Bioprodukten war so hoch wie noch nie, zeigen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Und noch nie war das Angebot an vermeintlich gesunden Alternativen zu Fleisch, Koffeinhaltigem, Alkohol und Zucker so breit wie jetzt.
„Viele der weitverbreiteten Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Lebensmittelallergien hängen mit unserem Überkonsum an Zucker, Fleisch und zu stark verarbeiteten Lebensmitteln zusammen“, erklärt die Ernährungsberaterin Laura Flemming. „Meist ist das Produkt an sich gar nicht verkehrt, sondern vielmehr die Art, wie es verarbeitet, und die Mengen, in denen es konsumiert wird.“
Wie erkenne ich eine gesunde Alternative?
Die Zusammensetzung der Ersatzprodukte ist oft nur schwer nachzuvollziehen, meint Flemming: „Alle Inhaltsstoffe, die sehr kompliziert und unleserlich wirken, sind meist schon ein Zeichen, dass das Produkt fragwürdige Zusätze enthält“. Der Tipp der Gründerin der Nahrungsergänzungsmittel-Marke L-Complex lautet daher: „Solche Alternativen sollten nur eine Ausnahme im Ernährungsplan sein. Denn sie sind oft besser als das Original, auf lange Sicht aber ebenfalls schädlich.“ Flemming hat vier Produkte getestet.
Alternative zu Fleisch
Marke: „Planted“ aus Zürich
Idee: Das Produkt auf Pflanzenbasis mit Erbsenproteinen, Ölen und Wasser soll genauso gut schmecken wie das Hühnchenfleisch. Gleichzeitig soll es auch gesünder und vor allem nachhaltiger sein, weil auf eine Massenproduktion wie in der Fleischbranche verzichtet wird. Wichtig für das authentische Fleischgefühl ist eine spezielle Lebensmitteltechnik, die durch eine Mischung von Druck und Temperatur Fasern entstehen lässt, die Fleisch verblüffend ähnlich sind.
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Preis: Die 400-Gramm-Packung ohne Marinade kostet zehn Euro, der Kilopreis liegt bei 25 Euro. Zum Vergleich: Bio-Hähnchenbrustfilet kostet durchschnittlich 35 Euro pro Kilogramm, im Supermarkt beginnen die Kilopreise bei um die sieben Euro.
Geschmack: Die ungewürzte Variante Natur erinnert tatsächlich an Hähnchenfiletstreifen und lässt sich leicht zubereiten. In nur wenigen Minuten kann man das Ersatzhühnchen goldbraun anbraten. Die marinierten Varianten in Barbecue- und Kräutermarinade sind Geschmackssache, aber ein ebenso gleichwertiger Ersatz für Hähnchen.
Das Fazit der Ernährungsberaterin: „Viele Fleischprodukte enthalten mittlerweile zahlreiche Zusätze, die dem Menschen schaden. Es wird viel zu viel Fleisch konsumiert. Die Tierhaltung und -ernährung ist meist fragwürdig, sodass nicht mehr jedes Fleisch diese wertvollen Nährstoffe enthält. Die Inhaltsstoffe von Planted sind auf den ersten Blick in Ordnung: Erbsenprotein ist eine super vegane Proteinquelle, während Rapsöl wertvolle Fettsäuren enthält. Für Vegetarier, die sich nach Fleisch sehnen, sicherlich eine Alternative. Trotzdem sollte das Ziel sein, vollwertige, echte Produkte zu essen, die möglichst unverarbeitet sind. Aber auch Tofu, Bohnen, Linsen können gestampft als Bratlinge und Fleischersatz genutzt werden, das ist nährstoffreich und voller Proteine. Wenn man nicht gänzlich auf Fleisch verzichten möchte, dann lieber weniger und dafür bessere Qualität kaufen. Man sollte auf unverarbeitetes Fleisch in hoher Bioqualität achten.“
Alternative zu Alkohol
Marke: „Kolonne Null“ aus Berlin
Idee: Das Start-up möchte alkoholfreie Alternativen zu Sekt und Wein anbieten, die den Originalen geschmacklich in nichts nachstehen. Die Trauben dafür kommen von lokalen Winzern. Zum Beispiel im Falle des Rieslings aus der Weinregion Nahe im Rheinland. Die Weine werden im Vakuumverfahren entalkoholisiert, was bedeutet, dass der Alkohol bei niedrigen Temperaturen entzogen wird, dabei aber wenige Aromen verloren gehen sollen.
Preis: Eine Flasche Riesling mit 0,75 Litern kostet um die zehn Euro. Ähnlich viel kosten alkoholhaltige Weine von deutschen Winzern im Supermarkt.
Geschmack: Andere alkoholfreie Sekte oder Weine schmecken sehr süß. Denn der fehlende Alkohol wird oft durch viel Zucker ausgeglichen. Die Weine von Kolonne Null schmecken aber wie die Originalrebsorten herb oder fruchtig und der Sekt nicht nach „Robby Bubble“ für Kinder.
Fazit der Ernährungsberaterin: „Bei Alkohol und Zucker lässt sich nichts beschönigen, sie schaden unserer Gesundheit. Auf den ersten Blick scheint das eine gute Alternative zu Wein. Positiv ist, dass der Histamin-Gehalt angegeben wird; da er sehr niedrig ist, sollte er gut verträglich sein. Ein hoher Histamin-Gehalt ist oft der Grund, weshalb Wein nicht gut vertragen wird. Der Zusatz von Saccharose dagegen macht das Produkt weniger attraktiv. Durch die Traube sollte der Wein bereits natürlich genügend Süße haben. Zusätzlicher Zucker ist ungesund.“
Alternative zu Zucker
Marke: „Savanna Ingredients“ aus Elsdorf
Idee: Allulose wird aus der Zuckerrübe gewonnen und ist ein rein pflanzlicher Rohstoff, der in der Natur beispielsweise auch in getrockneten Feigen, Kiwis und Rosinen vorkommt. Allulose kann als Sirup und in kristalliner Form in Lebensmitteln und Getränken zugesetzt werden. Laut Angaben des Herstellers hat die Alternative fast 100 Prozent weniger Kalorien als herkömmlicher Zucker, also 0,2 kcal pro Gramm, bei einer Süßkraft von 60 bis 70 Prozent. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert das Forschungsprojekt im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie für Fett, Salz und Zucker.
Preis: Während Allulose in den USA von der Food and Drug Administration (FDA) bereits zum sicheren Lebensmittel erklärt wurde, lässt eine Zulassung in der EU noch auf sich warten. Allulose fällt nämlich unter die Novel-Food-Verordnung, die den Umgang mit neuen Lebensmitteln regelt.
Geschmack: Allulose gibt es in flüssiger oder in Kristallform, mit beiden Varianten kann man Getränke süßen, backen und Soßen herstellen – ein Unterschied zu herkömmlichem Zucker ist dabei kaum zu bemerken. Auch zum Einkochen von Marmeladen eignet sich Allulose.
Fazit der Ernährungsberaterin: „Industrieller Zucker ist leider in Tausenden Produkten zugesetzt. Man sollte unbedingt darauf achten, diesen so weit wie möglich zu reduzieren. In Ernährungsprodukten sollte man allgemein stets darauf achten, ob versteckter Zucker, Farbstoffe, ungesunde Fette – wie zum Beispiel Palmöl – oder synthetische Zusätze enthalten sind. Eine natürliche Alternative zu industriellem Zucker ist Birkenzucker oder eben Allulose. Trotzdem ist dieser Zucker verarbeitet. Im Fokus sollte immer ein echtes Lebensmittel sein, um die Darmflora zu schonen und zu unterstützen. Besser eignen sich unverarbeitete Lebensmittel wie Datteln beim Backen für Extrasüße, diese sind super nährstoffreich und können in ihrer ursprünglichen Form verwendet werden.“
Alternative zu Koffein
Marke: „No Coffee“ aus Erfurt
Idee: Im Gegensatz zu den gängigen industriellen Verfahren, bei denen unter anderem Benzin und andere chemische Mittel verwendet werden, entkoffeiniert dieses nachhaltige, deutsche Start-up ausschließlich mit Wasser und ohne schädliche Zusatzstoffe. Damit sollen die 800 Aromastoffe der Bohne erhalten bleiben, sodass Menschen, die Koffein nicht gut vertragen oder aus gesundheitlichen Gründen nicht trinken wollen, eine gute Alternative haben. Man kann sogar eine Schwangerschaftsbox für werdende und stillende Mütter bestellen.
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Preis: Eine Packung mit 250 Gramm gibt es ab zehn Euro. Das ist rund 30 Prozent teurer als entkoffeinierter Kaffee von Marken wie beispielsweise Lavazza, der allerdings nicht nachhaltig produziert wird. Fair produzierten, entkoffeinierten Kaffee findet man in Bioläden meist bis zu 20 Prozent teurer.
Geschmack: Hervorragend. Bisher gibt es nur zwei Sorten, „No Espresso“ oder „No Coffee“, aber der aufgebrühte, koffeinfreie Kaffee steht dem Geschmack einer herkömmlichen Kaffeesorte in nichts nach. Im Online-Shop kann man den Mahlgrad von Filterkaffee bis French Press auswählen. Außerdem ein Pluspunkt: Die Bohnen werden unter fairen Bedingungen geerntet, die Verpackung ist recycelbar ohne Aluminium hergestellt.
Fazit der Ernährungsberaterin: „Koffeinhaltiger Kaffee ist zunächst einmal nicht ungesund, es handelt sich sogar um ein Antioxidans. Das heißt, in Maßen konsumiert, ist er sogar gesund. Aber bei einem sehr starken Kaffeekonsum, bei einer großen Sensitivität gegenüber Koffein oder bei Problemen mit Stress und Insulinspiegel, ist entkoffeinierter Kaffee die bessere Wahl.“
Quelle: WELT
Von: Gloria von Bronewski